Hallo, meine Lieben!
Es scheint wie mit der Büld-Zeitung zu sein: Keiner will sie gekauft haben, aber sie wird millionenfach aufgelegt. Genauso ist es mit dem Roman „Shades of Grey“, der durch alle Zeitungen, Blogs und Kommentare geistert. Ich denke, jeder weiß, welchen ich meine.
Die Schlagzeilen reichen von „BDSM für Einsteiger“ bis hin zu „Härter als Po.rn.o“ (Die Büld! Wer sonst?). Es wird gemunkelt, angedeutet und spekuliert, was das Zeug hält. Die Rezensionen auf Amazon sind sehr kontrovers; um es gelinde auszudrücken: 38% der Leser verteilten 5 Sterne, 13% vergaben 4 Sterne, 26% war es drei oder drei Sterne wert, 23% einen Stern.
Normalerweise geht mir so ein Hype am Allerwertesten vorbei; das war schon bei „Feuchtgebiete“ so. Da es aber auch in meinem Feedreader mittlerweile eine nicht unerhebliche Rolle spielt – und es auch da, wenn ich es recht sehe, keiner gelesen hat (oder es nur nicht zugibt) – habe ich mir „Shades of Grey“ heruntergeladen. Momentan bin ich bei 66% angelangt und versuche, meinen ersten Eindruck zu vermitteln; unvoreingenommen; falls das überhaupt möglich ist.
Es handelt sich um das, was ich als typische „Trivial-Literatur“ bezeichne. Und das ist nicht abwertend gemeint. Ana ist wunderschön, reizend und gut riechend (obwohl sie sich nicht so sieht); Chris ist der Typ „Kantig-Markig-Männlich“. Wunderschön-Reizend trifft auf Markig-Männlich und beide fühlen sich zueinander hingezogen. Wer diese Art Roman nicht mag, sollte also schon mal die Finger davon lassen. Er findet sie sofort unwiderstehlich und hechelt ihr hinterher; sie ist auch Feuer und Flamme, fühlt sich aber hin und her gerissen. Es beginnt das übliche „Komm her – Geh weg“-Spiel. Recht schnell bringt Chris die BDSM-Schiene ins Spiel, worauf Ana sich nach einigem Zögern auch einlässt. So weit – so gut.
Eine Rezensentin hatte die Überschrift „Unfreiwillig komisch“ benutzt, dem ich nur zustimmen kann. Es gab einige Stellen, an denen ich lauthals gelacht habe, obwohl das bestimmt nicht in der Absicht der Autorin lag. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch an der Übersetzung liegt.
Da hat Ana mal postkoitale Haare, dann wieder Chris. Oder Ana leidet an postkoitaler Erschöpfung. Das Wort „Wow“ wird über alle Maßen strapaziert und taucht an Stellen auf, wo es deplaciert wirkt. Von Anas „Junge, Junge“-Gedanken im unpassenden Moment (zum Beispiel nachdem sie mit Chris Sex hatte), ganz abgesehen. Das mag im englischen Sprachraum vielleicht funktionieren, im Deutschen sorgt es nun mal für Heiterkeitsausbrüche.
Oft wurde auch kritisiert, dass Ana sich ständig auf der Unterlippe herum beißt und errötet. Das Herumbeißen ist ein wichtiger Bestandteil des Plots, auf den Chris auch immer wieder eingeht. Da ist es wurscht, ob man das selbst tun würde oder nicht. Mit dem Erröten wird tatsächlich übertrieben. Drei Mal innerhalb von drei Absätzen war dann auch mir zu viel.
Romane sind Fiktion und sollen die Fantasie des Lesers anregen. Es gibt Bücher, in die tauche ich von der ersten Seite an hinein, bei anderen brauche ich länger und wieder andere lege ich nach ein paar Seiten weg. Mit „Shades of Grey“ tue ich mich recht schwer. Das liegt unter anderem daran, dass zum Beispiel „eiserne Prinzipien“ ziemlich flott über Bord geworfen werden, um die beiden Protagonisten einander näher zu bringen. Auch mit dem recht schnellen BDSM-Einstieg habe ich etwas Probleme. Stichwort: 21-jährige Jungfrau wird durch Hiebe einer Gerte auf die Klitoris zum Höhepunkt gebracht. Gut, zu dem Zeitpunkt hatte Chris sie schon entjungfert; aber die erste Session und dann gleich so was? Na ja!
Mein erstes Fazit: Die Autorin versucht, zu viele Dinge unter einen Hut zu bringen, und verzettelt sich dabei etwas.
Ich werde auf jeden Fall zu Ende lesen und dann auch was zu den Sex-Szenen schreiben.
Ich wünsche Euch noch eine schöne Zeit.
Eure