Cassys Blog

über Männer, Frauen, Erotik & Feminismus

Fifty Shades of Grey – Der Hype Teil 2 (Erklärung)

Hallo, meine Lieben!

Heute versuche ich mal, den Erfolg von „Fifty Shades of Grey“ zu erklären.

Das Buch ist vollgepackt mit Superlativen der romantischen Literatur. Christian ist wahnsinnig gutaussehend und total reich, Ana unglaublich naiv und noch Jungfrau. Christian hat ein enorm großes Trauma, Ana Liebe im Überfluss. Und Gott alleine weiß, wie viele Bücher in dieser Konstellation bereits geschrieben (und gelesen) und wie viele Filme darüber gedreht (und angesehen) wurden.

Frauen neigen nun mal zu Übertreibungen, wenn es um Gefühle geht. „Immer“ und „nie“ gehören zu unseren Lieblings-Wörtern. Verliebt sein ist für uns kein adäquater Zustand; wir müssen möglichst schnell lieben. Dann erst sind wir komplett im Einklang mit unserer Weiblichkeit und schweben elfengleich durch die Welt. Wir streben absolute Harmonie an und heilen nur durch unsere pure Anwesenheit alle seelischen Wunden des geliebten Mannes. Wir wollen verrucht wie Dita von Teese und elegant wie Cate Blanchett sein. Und natürlich so schön und taff wie Angelina Jolie. Wir erdulden die größten Seelenqualen und …

Ähh … *räusper* … tschuldigung! Da sind mir jetzt etwas die Gäule durchgegangen.

Tja, in diese Falle tappen viele weibliche Romantik/Erotik-Autoren. Denn da wir selbst das alles leider nicht sind (zumindest nicht in dieser konzentrierten Form), müssen halt unsere Protagonistinnen diesen Anspruch erfüllen. Und damit es nicht langweilig wird, stellen wir dieser einen entsprechend markigen Kerl zur Seite. Ich nehme mich davon gar nicht aus. Die erste Fassung meines Buchs strotzte ebenfalls nur so vor Superlativen und den dazu passenden Adjektiven. Glücklicherweise kam es nie auf den Markt, aber das nur am Rande. Vielleicht spielen gesellschaftliche Aspekte eine Rolle; möglicherweise ist es anerzogen; eventuell auch genetisch bedingt. Keine Ahnung! Wahrscheinlich eine Mischung aus allem.

Zu den Fifty Shades of Grey-Romanen gesellt sich noch die BDSM-Komponente. Oder besser gesagt: Frauen-Fantasien. Entstanden ist es nämlich als Fan-Fiction auf dem Online-Forum Wattpad in Zusammenarbeit mit den damaligen Leserinnen. Und das waren nicht wenige, denn Fanfiction ist fast ausschließlich Frauensache. Laut einer Erhebung von Slideshare sind dort 93% der Autoren Frauen. Und glaubt mir, liebe Männer: Wenn da erst mal die Schleusen geöffnet sind, gibt es kein Halten mehr.

Also: Wir nehmen viele Frauen mit romantischen Vorstellungen, geben ordentlich Sex-Fantasien dazu, schütteln das Ganze durch und … tadaaa … haben „Fifty Shades of Grey“. Unter den Voraussetzungen konnte gar nichts anderes rauskommen. Und ja! Ich weiß, dass nicht alle Frauen solche Fantasien haben. Manche tagträumen natürlich davon, mal einem Kerl den Arsch versohlen zu dürfen. :biggrin:

In den USA nennt man solche Bücher abschätzig „Mommy-Porn“. Nun, irgendeinen Namen muss das Kind ja haben, auch wenn laut Bowker Market Research 20% der Leser Männer sind, aber egal. Erotische Bücher gibt es zuhauf; da muss man nur mal einen Blick in die entsprechende Abteilung von Amazon werfen. Angefangen von Shannon McKenna, die sehr blumig romantischen Sex beschreibt, über Linda Mignani, bei der es schon etwas härter zur Sache geht, bis hin zu Cosette, deren Stil als „explizit und hart, aber niemals brutal“ beschrieben wird. Es gibt auch viele eBooks zu diesem Thema. Da die schlecht geschriebenen aber meistens auch schlechte Rezensionen erhalten, verschwinden die gleich wieder in der Versenkung.

Mir stellte sich also eine ganz andere Frage: Wie kamen die Romane überhaupt in den Buchhandel? Kritiker haben ja nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch wegen des Schreibstils die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. Manche vermittelten sogar den Eindruck, der Untergang der westliche Zivilisation stünde kurz bevor. Denn wer ein klein wenig Ahnung von der Branche hat, weiß, dass jeder große Verlag unter „normalen“ Umständen Miss Leonard das Manuskript links und rechts um die Ohren geschlagen hätte. Gesetzt den Fall, einer hätte es überhaupt gelesen.

Warum ist Fifty Shades of Grey stilistisch dann immer noch so einfach gestrickt? Ganz einfach: Aufgrund der Fanbase, die wie ein Mann eine Frau hinter der Autorin stand. Die Geschichte war schon vor dem Druck ein voller Erfolg. Dadurch wurde erst ein kleiner Verlag in Australien darauf aufmerksam, dann die „Großen“. Und so eine Gelegenheit lässt man sich ja nicht entgegen. Gepfiffen auf Qualität, Ausdrucksform und Redundanz – Hauptsache die Kasse klingelt. Nun ja, wenn’s um Geld geht, drückt man schon mal beide Augen zu. Ich bin mir zwar ziemlich sicher, deren Lektor hat beim Lesen der fast 1.900 Seiten graue Haare bekommen (falls es überhaupt lektoriert wurde), aber zu dem Zeitpunkt war Miss Leonards Einfluss bereit zu groß. Vielleicht befürchtete sie, ihre Fans zu verärgern, wenn sie Änderungen vorgenommen hätte; denen gefiel die Geschichte ja genauso wie sie war. Und die mittlerweile über 70 Millionen Mal verkauften Bücher sprechen auch im wahrsten Sinne des Wortes Bände. Die logische Schlussfolgerung war, auch bei dem Film Einfluss zu nehmen.

Wie sagt der Volksmund so schön? Es recht zu machen jedermann, ist eine Kunst, die niemand kann. In einer Zeit, in der „Bauer sucht Frau“, „Der Bachelor“ oder „Frauentausch“ ihren festen Zuschauerstamm haben, wird es auch eine Nachfrage nach seichter Literatur geben. Irgendwo hatte ich mal den Ausdruck „Urlaub vom Gehirn“ gelesen. Das trifft es meines Erachtens genau auf den Punkt. Nach dem ganzen Stress tagsüber wollen viele abends nur noch entspannen und sich berieseln lassen. Warum sollte das also nicht auch für Bücher gelten?

Der Riesenerfolg der Fifty Shades of Grey-Trilogie beruht also auf folgenden Punkten:

  • Miss Leonard hat ihrer Fantasie freien Lauf gelassen,
  • die Instrumentarien des Internets genutzt,
  • anonym Fanfiction geschrieben,
  • den Nerv Tausender Frauen getroffen,
  • dadurch auf sich aufmerksam gemacht,
  • die Sehnsüchte von noch mehr Frauen geweckt und
  • sich nicht beirren lassen, sondern „ihren Stiefel“ durchgezogen.

Man kann über die Romane denken, was man will, aber vor einem solchen Siegeszug muss man eigentlich den Hut ziehen.

 

Ich wünsche Euch noch eine schöne Zeit.
Eure

 

 

Autor: Cassandra Bouffier

Großstadtkatze und Bloggerin aus dem Rhein-Main-Gebiet. Sternzeichen Weibsstück, Aszendent Biest. Schreibt und lästert vorwiegend über Erotik, Männer, Frauen und Partnerschaften. Auch zu finden auf Google+ und Twitter