Hallo, meine Lieben!
Und wieder mal wird ein altes Klischee in punkto BDSM aus der Mottenkiste geholt, abgestaubt und dem Leser als „Erklärung für Gewalt“ präsentiert. Auf N24.de las ich eben ein Artikel mit der Überschrift „Die dunklen Folgen von ‚Fifty Shades of Grey‘ – Vergewaltiger beruft sich auf Sadomaso-Streifen„. Darin steht, dass Mohammad Hossain, ein 19-jähriger Studienanfänger, eine seiner Kommilitoninnen fesselte und vergewaltigte – einvernehmlich, wie er behauptet. Als „Inspiration“ gab er ‚Fifty Shades of Grey* an. Der Artikel endet mit den Worten
„Wo Sadomaso früher mit dem Etikett ‚pervers‘ versehen worden war, gibt es jetzt Anzeichen dafür, dass es sich jetzt eher Richtung ’normal‘, wenn auch ‚bizarr‘, verschoben hat. Ein gefährlicher Trend, wie dieser Vorfall zeigt.“
Ich mutmaße mal, der Verfasser dieses Artikels ist auch der Meinung, Prostitution sei die Ursache für Sittenverfall, die Pornografie Schuld an „normalen“ Vergewaltigungen und Killer-Spiele der Auslöser für Amok-Läufe. Genau so gut könnte man den Umkehrschluss ziehen, Vorzeige-Studenten, die an Leadership-Programmen teilnehmen, seien potentielle Vergewaltiger. Denn das war Mohammad Hossain. N24 reiht sich damit in die lange Schlange derjenigen ein, die mit Halbwissen (oder Ignoranz?) Schlüsse ziehen, wo keine sind. Und ich konnte den moralisch erhobenen Zeigefinger am Ende fast vor mir sehen.
Was mich aber am meisten ankotzt, ist, dass damit indirekt aus einem Täter ein Opfer gemacht wird. Der Arme konnte ja nichts dafür. Wäre er nicht von dem Film „inspiriert“ worden, würde er wahrscheinlich heute noch völlig friedlich unter seinen Mitmenschen wandeln. Nein! Früher oder später hätte er auf jeden Fall eine Frau vergewaltigt – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Mohammad Hossain ist psychisch gestört und sah in ‚Fifty Shades of Grey‘ nur eine gute Ausrede, seine abscheuliche Tat zu rechtfertigen. Menschen, die BDSM leben, neigen laut einer (nicht repräsentativen) Studie zufolge nämlich eher zu weniger Gewalt, denn
„sie hätten möglicherweise deshalb besser abgeschnitten, weil sie sich ihrer sexuellen Bedürfnisse bewusst seien“
Wenn man Bedürfnisse – welcher Art auch immer – unterdrückt, fangen die irgendwann an zu vagabundieren. Manche Menschen haben das im Griff; bei anderen fliegt der Deckel weg.
Da liegt der Hase im Pfeffer begraben, und nicht in dem Film ‚Fifty Shades of Grey‘, der mit BDSM so viel zu tun hat wie ein Fünf Gänge-Menü mit einer Currywurst.
Ich wünsche Euch noch eine schöne Zeit.
Eure
Pingback: Die dpa, die Forscherin und "perverse" Sadomaso-Praktiken - die liebe pur